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Trotz Abzockerinitiative: Turbulenzen an GVs nicht zu erwarten

Sonntag, 12. Januar 2014 / 12:18 Uhr

Die Generalversammlungssaison 2014 steht im Zeichen der Umsetzung der Abzockerinitiative und den damit gestärkten Aktionärsrechten. Auch wenn die Versammlungen spannender werden dürften, seien grosse Veränderungen oder gar Turbulenzen nicht zu erwarten, sagen Experten.

Künftig sind Abgangsentschädigungen, Provisionen für konzerninterne Umstrukturierungen und Vergütungen, die im voraus entrichtet werden, verboten. (Symbolbild)

Am kommenden Dienstag läutet der Elektronikkomponenten-Hersteller Schaffner die Generalversammlungssaison ein. Die Aktionäre des Solothurner Unternehmens dürfen damit als erste die neuen Rechte ausüben, die ihnen die Abzockerinitiative und die entsprechende «Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV)» verleiht. Sie trat am 1. Januar 2014 in Kraft.

Die wichtigsten Neuerungen: Die Generalversammlung wählt das Präsidium, die Verwaltungsräte, den Vergütungsausschuss sowie den unabhängigen Stimmrechtsvertreter einzeln und für die Dauer eines Jahres. Die Abstimmungen sind bindend. Blosse Konsultativabstimmungen sind nicht mehr zulässig.

Künftig sind Abgangsentschädigungen, Provisionen für konzerninterne Umstrukturierungen und Vergütungen, die im voraus entrichtet werden, verboten. Die Generalversammlung stimmt über die Vergütungen ab, die der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung des Unternehmens erhalten sollen. Zudem sind institutionelle Investoren künftig verpflichtet, von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen und ihre Entscheidung offen zu legen.

Die Bestimmungen gelten grundsätzlich ab diesem Jahr. Allerdings wird in einigen Punkten - etwa für die Abstimmung über die Vergütung - eine Übergangsfrist gewährt. Ab 2015 müssen auch diese Punkte umgesetzt werden.

Differenziertes Abstimmungsverhalten

«Die neuen Regelungen zur jährlichen Wiederwahl der Verwaltungsräte und zur Abstimmung über die Vergütungen erlauben den Aktionären ein differenzierteres Abstimmungsverhalten», sagt Rudolf Meyer, Präsident der Aktionärsvereinigung Actares, der Nachrichtenagentur sda. «Mit der Einzelwahl können Zeichen gesetzt werden, zum Beispiel gegen Mitglieder des Vergütungsauschusses, die übertriebene Boni einfach durchwinken.»

Eine Ablehnung der Vergütungen konnte vor der Einführung der konsultativen - und jetzt bindenden - Abstimmungen nur indirekt durch die Ablehnung des Jahresberichts oder der Decharge ausgedrückt werden.

Dass die neuen Regelungen sofort zu grossen Verschiebungen oder gar Turbulenzen führen werden, glaubt Meyer nicht. «Aber es beginnt ein neuer Prozess, ein neues Bewusstsein für die Generalversammlungen», sagt er. «Früher waren sich viele Unternehmen nicht gewohnt, auf Anliegen von Aktionären einzugehen.»

Vergütungen werden wohl nicht sinken

Eines der Hauptanliegen der Abzockerinitiative war es, überhöhte und ungerechtfertigte Löhne und Boni des obersten Managements zu unterbinden. Millionenpakete wie jenes von Credit-Suisse-Chef Brady Dougan über 77 Mio. Franken oder die geplante Entschädigung des ehemaligen Novartis-Präsidenten Daniel Vasella über 72 Mio. Franken wird es in dieser Form in Zukunft nicht mehr geben.

Ob jedoch die Vergütungen an das Management und den Verwaltungsrat stark sinken werden, wagt Rudolf Meyer zu bezweifeln. «Es war schon in den letzten Jahren diesbezüglich eine gewisse Zurückhaltung zu beobachten», sagt er. Meyer erwartet deshalb keine grossen Veränderungen - «vor allem nicht bei grossen, international tätigen Schweizer Unternehmen».

Auch der Chef des unabhängigen Zuger Vermögensverwalters zCapital, Gregor Greber, glaubt, dass die sich neuen Bestimmungen nur teilweise auf die Gehälter auswirken werden. Bei Firmen wie beispielsweise Roche, Schindler, Lindt & Sprüngli oder Kuoni könnten sehr viele Aktionäre aufgrund der Kapitalstruktur wie Stimmrechtsaktien oder Partizipationsscheinen oder aufgrund Stimm- und Eintragungsbeschränkungen nicht mit ihrem vollen Kapitaleinsatz stimmen.

Etliche Statuten stammen noch aus den Gründungszeiten und bevorzugen somit einzelne Aktionäre wie Stiftungen, Familien oder einzelne Aktionäre. «Basisdemokratische Entscheide - eine sogenannte Aktionärsdemokratie - ist bei solchen Unternehmen gar nicht möglich», sagt Greber. Dementsprechend wenig könnten die Aktionäre bewirken.

«Haben schon viel erreicht»

Spannend werde jedoch, wie das Vergütungssystem für den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung festgehalten werde, sagt Greber. Die Aktionäre können entweder den Löhnen und Boni für das Management und den Verwaltungsrat vorgängig zustimmen, bevor klar ist, wie das Jahresresultat aussehen wird. Oder sie segnen die Vergütungssumme erst im Nachhinein ab.

Darüber, dass bei Schaffner nächste Woche über die fixen sowie die variablen Vergütungsbestandteile im voraus abgestimmt wird, zeigte sich Greber wenig erfreut. Besser wäre es seiner Meinung nach, die variablen Komponenten erst nach den Jahresresultaten abzusegnen.

«Aber wir haben schon viel erreicht. Das Engagement zeigt Wirkung. Wir arbeiten heute eng mit den Firmen zusammen», sagt Greber. So habe Schaffner zugesichert, 2015 eine nachträgliche Konsultativabstimmung über den Vergütungsbericht durchzuführen.

(asu/sda)


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