TECHNOLOGIE
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Uhr läuft mit Strom aus Hummer-Glukose

Mittwoch, 10. Oktober 2012 / 09:16 Uhr

Mit der Energie aus der Glukose zweier lebender Hummer kann eine Uhr betrieben werden. Das haben US-Wissenschaftler der Clarkson University und des Vermont College of Medicine bewiesen.

Schnecke mit Elektroden.

Die zwei implantierten Elektroden aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen in den Körpern der Hummer erzeugten in Serie geschaltet genug Strom, um eine Uhr eine Stunde lang am Laufen zu halten. Laut den Wissenschaftlern leiden die Versuchstiere keine Schmerzen, da sich an den Eintrittsstellen für die Geräte keinerlei Nervenenden befinden. Zukünftig soll diese Technologie zur Energieversorgung von Herzschrittmachern und anderen Implantaten verwendet werden.

Strom aus Zucker

«Um Strom zu erzeugen, wird an der Anode Glukose oxidiert und an der Kathode Sauerstoff reduziert. Dadurch wandern die Elektroden und es fliesst Strom. Dieser Prozess erfordert allerdings einen Katalysator. Hier gibt es zwei verschiedene Ansätze, die verfolgt werden: Abiotische Brennstoffzellen verwenden Elektroden aus Platin, die gleichzeitig als Katalysator dienen, bei enzymatischen Zellen übernehmen Enzyme die Oxidation von Glukose», erklärt Christian Köhler vom Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg gegenüber pressetext.

Die Technologie wurde schon früher an Schnecken, Muscheln und den Ohren von Hasen ausprobiert, die US-Wissenschaftler betonen aber, dass ihre Hummer-Uhr eine Premiere darstellt: Erstmals wurde ein elektronisches Gerät durch Energie aus dem Inneren eines lebenden Organismus mit Strom versorgt.

Nach einer Stunde sank der Blutzuckerspiegel der Hummer vorerst ab. Nach der Nahrungsaufnahme stieg er allerdings wieder an und die Hummer betrieben die Uhr weiter. Versuche an einem künstlichen System, das dem menschlichen Kreislauf nachempfunden wurde, haben bewiesen, dass die Glukosekonzentrationen, die im menschlichen Körper normalerweise vorkommen, ausreichen, um einen Herzschrittmacher zu betreiben. Die Wissenschaftler haben in einem Experiment mit verschiedenen Blutzuckerwerten in künstlichen Lösungen einen Schrittmacher fünf Stunden lang ausschliesslich mit Energie aus Glukose betrieben.

Medizinisch wertvoll

«Die Brennstoffzellen haben eine Grösse von wenigen Quadratzentimetern. Ein Modul mit zirka 13 Quadratzentimetern passt zu den Massen eines Herzschrittmachers. Die Elektrode könnte mit einem galvanischen Verfahren direkt auf einen Schrittmacher aufgebracht werden. Die Grösse der Zellen ist direkt proportional zur Leistung. Für die Versorgung von Implantaten reicht der Strom aus den kleinen Modulen in unserem Labor schon aus», so Köhler. Bis zu einer medizinischen Anwendung ist der Weg aber noch weit.

«Es gibt derzeit noch einige Probleme zu lösen. Enzyme haben eine begrenzte Lebensdauer und die Katalysatoren aus Platin 'verstopfen' im Körper nach kurzer Zeit. Die Leistungsdichte enzymatischer Brennstoffzellen ist höher als die von abiotischen», so Köhler. Das Potenzial der Technologie ist unbestritten. «In Zukunft sollen die Brennstoffzellen Humanimplantate unbegrenzt und kontinuierlich mit Strom versorgen. Patienten müssten sich dann lediglich einmal einer Operation unterziehen. Mögliche Anwendungen reichen von Glukose-Sensoren für Diabetiker bis zu Herzschrittmachern», sagt der Experte.

Die Forscher haben bereits einige Ideen, wie sie die derzeitigen Probleme beheben könnten. «In den nächsten zehn Jahren sollte zumindest im Labor klar sein, ob das Konzept funktioniert. Für einen Einsatz beim Menschen muss das System 100-prozentig zuverlässig sein. Dazu sind langfristige Zulassungsstudien nötig», erklärt Köhler.

 

 

(bert/pte)


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